Sunday, November 06, 2016
Homer
Goethe, Italian Journey (May 17, 1787; tr. W.H. Auden and Elizabeth Mayer):
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A word about Homer. The scales have fallen from my eyes. His descriptions, his similes, etc., which to us seem merely poetic, are in fact utterly natural though drawn, of course, with an inner comprehension which takes one's breath away. Even when the events he narrates are fabulous and fictitious, they have a naturalness about them which I have never felt so strongly as in the presence of the settings he describes. Let me say briefly what I think about the ancient writers and us moderns. They represented things and persons as they are in themselves, we usually represent only their subjective effect; they depicted the horror, we depict horribly; they depicted the pleasing, we pleasantly, and so on. Hence all the exaggeration, the mannerisms, the false elegance and the bombast of our age. Since, if one aims at producing effects and only effects, one thinks that one cannot make them violent enough. If what I say is not new, I have had vivid occasion to feel its truth.
Now that my mind is stored with images of all these coasts and promontories, gulfs and bays, islands and headlands, rocky cliffs and sandy beaches, wooded hills and gentle pastures, fertile fields, flower gardens, tended trees, festooned vines, mountains wreathed in clouds, eternally serene plains and the all-encircling sea with its ever-changing colours and moods, for the first time the Odyssey has become a living truth to me.
Was den Homer betrifft, ist mir wie eine Decke von den Augen gefallen. Die Beschreibungen, die Gleichnisse etc. kommen uns poetisch vor und sind doch unsäglich natürlich, aber freilich mit einer Reinheit und Innigkeit gezeichnet, vor der man erschrickt. Selbst die sonderbarsten erlogenen Begebenheiten haben eine Natürlichkeit, die ich nie so gefühlt habe als in der Nähe der beschriebenen Gegenstände. Laß mich meinen Gedanken kurz so ausdrücken: sie stellten die Existenz dar, wir gewöhnlich den Effekt; sie schilderten das Fürchterliche, wir schildern fürchterlich; sie das Angenehme, wir angenehm u.s.w. Daher kommt alles Übertriebene, alles Manierierte, alle falsche Grazie, aller Schwulst. Denn wenn man den Effekt und auf den Effekt arbeitet, so glaubt man ihn nicht fühlbar genug machen zu können. Wenn, was ich sage, nicht neu ist, so hab' ich es doch bei neuem Anlaß recht lebhaft gefühlt.
Nun ich alle diese Küsten und Vorgebirge, Golfe und Buchten, Inseln und Erdzungen, Felsen und Sandstreifen, buschige Hügel, sanfte Weiden, fruchtbare Felder, geschmückte Gärten, gepflegte Bäume, hängende Reben, Wolkenberge und immer heitere Ebnen, Klippen und Bänke und das alles umgebende Meer mit so vielen Abwechselungen und Mannigfaltigkeiten im Geiste gegenwärtig habe, nun ist mir erst die Odyssee ein lebendiges Wort.