Thursday, February 28, 2019

 

Goethe on Homer

Goethe, Italian Journey (Naples, May 17, 1787; tr. Charles Nisbet):
As to Homer, it is as if the scales had fallen from my eyes. The descriptions, similes and so on appear to us poetical, and are yet unspeakably natural, though of course drawn with a purity, an inward truth enough to strike us poor moderns dumb. The very strangest fictions are characterised by a naturalness I never felt so much as in the presence of the objects described. To express the antithesis briefly; they presented the thing, we usually present the effect; they described the dreadful, we describe dreadfully; they the agreeable, we agreeably, and so on. This will explain all our extravagance, our affectation, our false grace, our inflation; for once you elaborate and strain after effect, you fancy you can never make it strong enough. If what I now say is nothing fresh yet have I felt it freshly and right heartily.

Now that all these coasts and promontories, gulfs and bays, islands and necks of land, rocks and sand-belts, bushy hills, soft meadows, fruitful fields, ornamented gardens, cultivated trees, hanging vines, cloud-capt mountains and ever cheerful plains, cliffs and banks, and the all-surrounding sea, with so many changes and variations—now that all these have become the present property of my mind—now, indeed, for the first time does the Odyssey address me as a living reality.

Was den Homer betrifft, ist mir wie eine Decke von den Augen gefallen. Die Beschreibungen, die Gleichnisse usw. kommen uns poetisch vor und sind doch unsäglich natürlich, aber freilich mit einer Reinheit und Innigkeit gezeichnet, vor der man erschrickt. Selbst die sonderbarsten erlogenen Begebenheiten haben eine Natürlichkeit, die ich nie so gefühlt habe als in der Nähe der beschriebenen Gegenstände. Laß mich meinen Gedanken kurz so ausdrücken: sie stellten die Existenz dar, wir gewöhnlich den Effekt; sie schilderten das Fürchterliche, wir schildern fürchterlich; sie das Angenehme, wir angenehm usw. Daher kommt alles Übertriebene, alles Manierierte, alle falsche Grazie, aller Schwulst. Denn wenn man den Effekt und auf den Effekt arbeitet, so glaubt man ihn nicht fühlbar genug machen zu können. Wenn, was ich sage, nicht neu ist, so hab ich es doch bei neuem Anlaß recht lebhaft gefühlt.

Nun ich alle diese Küsten und Vorgebirge, Golfe und Buchten, Inseln und Erdzungen, Felsen und Sandstreifen, buschige Hügel, sanfte Weiden, fruchtbare Felder, geschmückte Gärten, gepflegte Bäume, hängende Reben, Wolkenberge und immer heitere Ebnen, Klippen und Bänke und das alles umgebende Meer mit so vielen Abwechselungen und Mannigfaltigkeiten im Geiste gegenwärtig habe, nun ist mir erst die Odyssee ein lebendiges Wort.



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